Arbeit um jeden Preis
Seit der Vergabe der Fußball-WM 2022 schaut die Welt auf das Emirat Katar am Persischen Golf. Gewerkschafter interessieren sich weiterhin für die Arbeitsbedingungen der Migranten dort. Darunter eine halbe Million Nepalesen.
"Willkommen in Katar", steht auf großen Schildern im internationalen Flughafen von Doha. Doch das riesige Gebäude wurde nicht von Bürgern des Emirats am Persischen Golf, sondern von Arbeitsmigranten entworfen und gebaut. Die meisten kommen aus armen Regionen Indiens und Nepals. Sie arbeiten für lächerliche Gehälter, in völliger Abhängigkeit vom Arbeitgeber. Die Generalsekretärin des Internationalen Gewerkschaftsbundes, Sharan Burrow, spricht von moderner Sklaverei in einem der reichsten Länder der Welt.
Der Polizist an der Passkontrolle ist für lange Zeit der letzte katarische Staatsbürger, den ich treffe. Sie sind eine Minderheit im eigenen Land, 75 Prozent der Bevölkerung sind Arbeitsmigranten. Auch das Taxi in die Stadt fährt ein Arbeitsmigrant. Dambar Bahadur Rai aus Nepal. Gemessen an der Einwohnerzahl schickt kein Staat so viele Arbeiter nach Katar wie das kleine Land am Himalaya. Der Verkehr auf der vierspurigen Straße zum Zentrum fließt geordnet, Geschwindigkeiten sind genau geregelt. Trotzdem brettert links viel zu schnell ein Geländewagen vorbei. "Katari" murmelt Dambar Rai und lächelt. Offensichtlich hat er sich daran gewöhnt, dass in diesem Land mit zweierlei Maß gemessen wird. Rais Monatslohn – umgerechnet 500 Euro – könnte der Katari im Geländewagen an einem Abend ausgeben:
"Wir müssen am Tag mindestens 265 Rial Umsatz bringen, das sind 66 Euro. Wenn es einen Tag nicht zusammen kommt, müssen wir das am nächsten Tag ausgleichen. Am Ende des Monats rechnet die Firma den Verdienst zusammen."
Was passiert, wenn er keine 265 Rial einnimmt?
"Wenn man arbeitet, kriegt man das Geld schon zusammen. Aber die, die es mehrere Monate nicht schaffen, werden beobachtet und nach drei Monaten wird ihr Vertrag beendet, dann müssen sie nach Hause. Es werden auch Strafen fällig, für jeden Tag unter dem Mindestumsatz bis zu 100 Rial, knapp 25 Euro."
Dambar Rai ist 35 und fährt seit drei Jahren Taxi in Katar. Davor arbeitete er jahrelang in Saudi-Arabien und Dubai:
"Als ich die 10. Klasse bestanden hatte, ist mein Vater gestorben. Ich konnte das College also nicht zu Ende machen. Ich musste meine Mutter unterstützen und meinen Geschwistern ein Studium finanzieren. Deshalb habe ich beschlossen, ins Ausland zu gehen, um Geld zu verdienen. Viele Nepalesen gingen weg, um ihren Familien zu helfen. Ihnen habe ich mich angeschlossen."
Dambar Rai ist einer von rund 1,7 Millionen Arbeitsmigranten in Katar. Seit in den 60er-Jahren Öl und Gasvorkommen entdeckt wurden, boomt der Wüstenstaat. Katars Hauptstadt Doha hat sich in wenigen Jahrzehnten vom Fischerdorf in eine Metropole verwandelt Zwischen der arabischen Wüste und dem Ufer des Persischen Golfs steht eine Wand aus glitzernden Hochhäusern – auch sie entworfen, geplant und gebaut von Arbeitsmigranten.
Lohn geht fast vollständig nach Nepal
Dambar Rai, der Taxifahrer, hat noch Schicht bis morgens um vier. 11 Stunden arbeitet er am Stück, mit einer Stunde Pause. Danach fährt er ins firmeneigene Quartier, isst, schläft, geht zur nächsten Schicht. Sechs Tage die Woche. Von seinen 500 Euro Lohn schickt er 450 nach Nepal – an seine Mutter, die Geschwister, seine Frau und eine Tochter, die er seit Jahren nicht gesehen hat. Alle fehlen ihm, sagt er – besonders die Tochter, sie sei so klein und süß.
Kurz nach meiner Ankunft im Hotel hält vor dem Foyer wieder ein Taxi: Mustafa Qadri steigt aus. Er arbeitet für Amnesty International in London. Seit Jahren kritisiert die Menschenrechtsorganisation die Arbeitsbedingungen in Katar. Fotografiert heimlich überfüllte Unterkünfte, verdreckte Küchen, kaputte Duschen. Auch der Internationale Gewerkschaftsbund hat Katar wiederholt kritisiert, Journalisten wurden sogar festgenommen, weil sie heimlich in den Quartieren der Arbeiter gefilmt haben.
Katars Regierung und das Komitee, das für die die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 zuständig ist, versprachen Besserung. Im März 2016 hat nun Amnesty International einen neuen Bericht veröffentlicht, der hohe Wellen schlug. Der Herausgeber, Mustafa Qadri, konnte nachweisen, dass auf einer WM-Baustelle immer noch Arbeiter ausgebeutet werden, unbezahlte Überstunden machen und in kleinen, dreckigen Quartieren leben. "Die hässliche Seite des schönen Spiels" hat Qadri den Bericht genannt, für den er 244 Bauarbeiter auf der Baustelle des Khalifa-Stadions und im angrenzenden Park befragt hat:
"Die Arbeiter, mit denen ich geredet habe, haben den Rasen gesät, auf dem der berühmte Fußball-Verein Bayern München gespielt hat. Die Arbeiter hausten zu zwölft oder vierzehnt in einem Zimmer, ihnen wurden die Pässe abgenommen. Jeder von ihnen hat 4500 Dollar bezahlt, um einen Job zu kriegen, mit dem sie 120 Dollar im Monat verdienen."
Es ist kein offiziell beantragtes Interview – wir treffen uns scheinbar beiläufig im Hotel, am Abend vor Qadris Rückflug nach London. Er war zu einer UN-Konferenz über Business und Menschenrechte nach Katar eingeladen. Auch so etwas gibt es in diesem schillernden Emirat. Die Regierung will deutlich machen, dass sie sich kümmert. Sie hat das Arbeitsgesetz reformiert, bessere Sozialstandards eingeführt. Langsam tue sich was, sagt Qadri. Aber die Grundprobleme der Zweiklassengesellschaft seien längst noch nicht gelöst:
"Sprechen Sie mit einem Taxifahrer, mit irgendeinem Arbeitsmigranten hier, fragen Sie ihn: Wie viel von deinem Lohn schickst du nach Hause? Ich bin sicher, er wird antworten: alles. Es geht nicht nur darum, ob sie hier verdreckte Küchen haben oder ihren Lohn nicht bekommen, es geht um die menschliche Ebene. Wir reden über das Leben von Millionen Menschen! Das ist einfach nicht gerecht."
Bis 2022 soll der Umbau des Khalifa-Stadions fertig sein. Eine von 12 hochmodernen Sportarenen, die für die Fußball-Weltmeisterschaft um- oder neu gebaut werden. Überall in Doha stehen Kräne, öffnen sich Baugruben. Dazwischen wimmeln Arbeiter mit Helmen und Leuchtwesten. In den vergangenen Jahren häuften sich Berichte von Menschenrechtlern, Gewerkschaftern und Journalisten über Unfälle und Todesfälle ausländischer Arbeiter in Katar. Mit einem Mal interessierte sich die ganze Welt für die Bedingungen der Wanderarbeiter. Auch die Arbeitgeber achten nun auf Sicherheit.
Migranten verschulden sich für den Job
Arbeitszeiten bis zu 12 Stunden und bei bis zu 50 Grad im Schatten sind dagegen immer noch nichts Ungewöhnliches. Beschwerden gibt es kaum. Die Arbeiter haben die ausbeuterischen Verträge schon in ihren Heimatländern unterschrieben, ihre finanzielle Not lässt ihnen keine Wahl. Weltweit verlassen immer mehr Menschen ihre Heimat und ihre Familien, um im Ausland Geld zu verdienen. Viele dieser Arbeitsmigranten verschulden sich, um an einen Vertrag zu kommen, sie zahlen überhöhte Gebühren privater Arbeitsvermittler. Andere erhalten im Ausland weniger Lohn als versprochen. Und selbst Erfolgsgeschichten haben einen hohen Preis: Die Entfremdung von der Familie.
Die rund 250 Millionen Arbeitsmigranten weltweit wären – zusammengenommen – die fünftgrößte Nation der Erde. Aber sie haben keine Stimme. Und die wenigen Mutigen, die ihnen eine geben wollen, müssen dies oft im Verborgenen tun. Durch die Vermittlung des Internationalen Gewerkschaftsbundes ITUC in Brüssel treffe ich einen Nepalesen in Doha, der sich heimlich für die Rechte der Arbeiter einsetzt. Er ist klein, energisch, mit einem ziemlichen Stottern, aber sehr präzisen Aussagen:
"In Nepal fangen die Leute an zu träumen – sie glauben, sie kommen zu einer guten Firma, die sie ordentlich unterbringt. Die Arbeiter denken: "Ich verdiene dort sehr viel, jeden Monat kann ich was sparen und dann werde ich ein reicher Mann zu Hause". Aber wenn die Leute hier in Katar ankommen, stimmt nichts davon. Der Lohn ist niedrig. Alles ist anders."
Ich nenne ihn Arjun, sein richtiger Name soll geheim bleiben. Auch der der Organisation, die ihn finanziert. Offiziell ist er mit einem Besuchervisum hier, die nepalesische Botschaft in Doha kooperiert, weiß aber längst nicht alles. Ich interviewe ihn im Hotel. Durch die Fenster schauen wir auf die Großbaustelle einer U-Bahnstation. Die Tunnel gräbt eine Bohrmaschine der Firma Herrenknecht aus Baden. Tag und Nacht wird gearbeitet. Am frühen Morgen und jetzt, am Nachmittag, ist Schichtwechsel. Wir sehen, wie Busse auf den Sandplatz neben der Baustelle rollen. Die Bauarbeiter steigen aus, alle im gleichen Blaumann mit neongelber Weste. In der einen Hand einen Henkelmann, in der anderen den Helm. Ausgeschlafen sehen sie nicht aus.
"Die meisten Arbeiter machen zwei bis drei Überstunden am Tag, oft unbezahlt. Und viele sind weit entfernt von der Baustelle untergebracht. Nach 11 Stunden Arbeit müssen sie noch auf den Bus warten, der sie zum Quartier bringt. Der kommt erst, wenn die neue Schicht anrückt. Und Wartezeit wird nicht bezahlt."
Manche Arbeiter erhalten monatelang keinen Lohn – manche Firmen kümmern sich nicht darum. Die Arbeiter könnten ihren Lohn einklagen. Aber wie macht man das in einem Land, dessen Sprache man nicht lesen oder sprechen kann? Hier hilft Arjuns Organisation.
"Wir suchen unter den Nepalesen hier nach Arbeitern, die Schwierigkeiten haben, die zu Opfern geworden sind. Wir nehmen sie mit zur nepalesischen Botschaft oder vors Arbeitsgericht. Wir erklären ihnen, welchen Klageweg sie gehen können, welche Gesetze in Katar gelten, welche Rechte sie haben und was verboten ist."
Und was sagen die katarischen Behörden dazu?
"Für Katar sind wir illegal!"
Alles ist fremdbestimmt
Am nächsten Tag fahre ich in die Wüste vor der Stadt. Keine glitzernden Bürotürme, bewässerten Grünstreifen oder Palmenalleen mehr. Hier draußen sind die Straßen holprig – Sand und Steine, soweit das Auge reicht. Aber keine vom Wind geformten Wüstendünen, sondern von Fahrzeugen zerfurchte Ebenen, über die sich nur abgeladene Kieshaufen und altes Baugerät erheben.
Dambar Rai, der nepalesische Taxifahrer, fährt mich. Wir kommen an seiner Unterkunft vorbei, einer Ansammlung riesiger Betongebäude, gestrichen in den Farben des Taxiunternehmens. Wie ein überdimensioniertes Studentenwohnheim, nur für Männer.
"Unsere Unterkunft ist in Ordnung. Nette Sicherheitsleute, Wasser, Strom, Klimaanlagen. Ich kann mich nicht beklagen. Alle Fahrer sind zufrieden. Es gibt eine neuere Unterkunft, mit vier Personen pro Zimmer, aber bei uns sind wir zu sechst. Wenn wir essen wollen, gibt es drei Kantinen."
Ausländische Besucher wie mich darf Rai in seinem Wohnheim allerdings nicht empfangen. Das verhindern die netten Sicherheitsleute. Essen, schlafen und Freizeit – alles ist fremdbestimmt im Leben der Arbeitsmigranten. Wo sie wohnen, entscheidet die Firma. Im Vertrag klingt das hübsch: Unterkunft inklusive. Wie die aussieht, erfahren die Migranten allerdings erst, wenn sie in Katar ankommen. Viele Bauarbeiter haben weniger Glück als die Taxifahrer. Sie hausen in Baracken, zweistöckig, dicht gedrängt und dreckig. Auf allen Geländern hängt Wäsche, die Zimmer sind winzig. Die Luft flimmert vor Hitze – es riecht nach Müll und Abgasen der nahen Autobahn. Am einzigen freien Tag ihrer Arbeitswoche sind sie hier draußen in der Wüste gefangen. Die Fahrt in die Stadt dauert mehr als eine Stunde und ist zu teuer.
Die privaten Arbeitsvermittlungen in Nepal versprechen den Arbeitern hohe Löhne und gute Unterkünfte – Bedingungen, die sie später nicht einhalten. Und: sie nehmen Geld für ihre Dienste. Völlig überhöhte Vermittlungsgebühren.
"Für meinen ersten Auslandsaufenthalt habe ich 85.000 Rupien bezahlt, gut 700 Euro. Die habe ich mir geliehen von einem Nachbarn. Zu 24 Prozent Zinsen! Leider haben wir da ein Problem in unserem Land. Die Agentur darf so viel Geld gar nicht verlangen. Sie schreibt eine Quittung über einen geringeren Betrag, verlangt aber in Wirklichkeit mehr. Die Regierung versucht zwar, das zu verhindern, aber ohne Erfolg."
Die Regierung Nepals steckt seit dem Erdbeben vom Frühjahr 2015 noch tiefer in der Krise als vorher. Der nepalesische Staat schaut hilflos zu, wie seine Bürger ins Ausland abwandern und ausgebeutet werden.
Arjun, der illegale Gewerkschafter in Katar, kennt viele solche Geschichten. Die Arbeiter sind schlecht informiert, erzählt er. Sie glauben den privaten Vermittlern, wenn die ihnen Gebühren in Rechnung stellen, die eigentlich gar nicht anfallen dürften.
Die Arbeitgeber in Katar schicken kostenlos Visa und Flugtickets nach Nepal. Aber die Rekrutierungsagenturen verlangen von den Arbeitern Geld dafür. Manche nehmen 700 Euro und stellen dann eine Quittung über 90 Euro aus. Dabei müssten Arbeiter dem Gesetz nach für ihr Ticket und Visum nichts bezahlen, darauf haben sich die Regierungen von Nepal und Katar verständigt. Aber nur 5 Prozent der Agenturen respektieren das, 95 Prozent sind unseriös, sehr unseriös.
Deutsche Arbeitgeber und ihre Standards
Auf den Baustellen in Katars Hauptstadt wehen auch Fahnen mit deutschen Namen – Züblin, Siemens und einer der weltgrößten Baukonzerne: Hochtief aus Essen. Hochtief hat hier 2009 ein gigantisches Gewerbe-Gebiet gebaut und bohrt nun die Tunnel für das neue Abwassersystem in Doha.
Nach längerem Zögern ist der Regionalchef der Firma, Helmut Landahl, zu einem Interview bereit. Aus Deutschland reist eigens ein Pressesprecher an, die Fragen werden vorher genau abgesprochen.
"Erst neulich wieder waren zwei Mitarbeiter von uns unterwegs in Indien, in Nepal, in Thailand, haben dort Rekrutierungsfirmen aufgesucht, und die darauf verpflichtet, unsere Standards einzuhalten. Das bedeutet in dem Zusammenhang jetzt insbesondere, dass die Firmen sich dazu verpflichten, von den einzustellenden Arbeitern kein Geld anzunehmen. Weil wir es klar gemacht haben, sämtliche Rekrutierungsgebühren werden von uns bezahlt."
Hochtief versucht die eigenen ethischen Standards soweit es geht auf Katar zu übertragen. Der Konzern zahlt die Löhne pünktlich und bringt die Arbeiter in einer Vorzeigestadt unter. Gleichzeitig hütet sich Helmut Landahl davor, Katars Gesetze zu kritisieren. Im Zentrum dieser Gesetze steht ein System, das es nur am Persischen Golf gibt: Kafala, zu Deutsch Bürgschaft. Jeder Ausländer in Katar braucht einen Einheimischen als Bürgen, sogar der deutsche Regionalchef von Hochtief oder die australische Universitätsprofessorin. Kafala legt Aufgaben, die bei uns der Staat regelt, in die Hände der Arbeitgeber. Und damit auch die Verantwortung für das Wohlergehen der Angestellten. Mustafa Qadri von Amnesty International kritisiert, dass auch ein neues, reformiertes Arbeitsgesetz an diesen Zuständen nicht rüttelt:
"Jeder Ausländer, der in diesem Land lebt, braucht einen Bürgen, und wenn er den Job wechseln oder das Land verlassen will, braucht er die Erlaubnis dieses Bürgen. Das steht so im Gesetz, auch nach der Reform. Diese Regelung verstößt gegen das Menschenrecht auf Bewegungsfreiheit. Und sie schafft zudem ein unglaubliches Ungleichgewicht der Macht zwischen Arbeitern und Arbeitgebern. Deshalb können Arbeitgeber ihre Angestellten ungestraft misshandeln. Zum Beispiel in den Fällen, die ich dokumentiert habe. Wenn sich ein Arbeiter über seine Lage beschwert, wird ihm angedroht, die Aufenthaltserlaubnis zu beenden. Das bedeutet, dass die Polizei ihn abschiebt. Dieses Gesetz muss geändert und dann auch in der Praxis umgesetzt werden."
Kritik ist erlaubt, aber wirkt sie auch?
Die renommierte Georgetown University in Washington D.C. hat eine Zweigstelle am Stadtrand von Doha. Auf einem riesigen Campus reihen sich Elite-Universitäten aneinander – britische, französische und US-amerikanische, in hochmodernen Bauten. Im Zentrum für internationale und regionale Studien der Georgetown University forschen Wissenschaftler zum Thema Arbeitsmigration – üben sogar vorsichtig Kritik an ihrem großzügigen Gastgeberland. Noch eine Ambivalenz im Wüstenstaat Katar: Kritisches darf geäußert werden. Ob jemand die Kritik auch ernst nimmt, ist eine andere Frage. Stellvertretende Institutsdirektorin ist die Politikwissenschaftlerin Zahra Babar. Arbeitsmigration ist eines ihrer Spezialgebiete:
"Ich habe in Pakistan über soziale Ungerechtigkeit geforscht und über ländlich bedingte Armut. In vielen Fällen wurden die Haushalte dort von Frauen geleitet, von Greisen und Kindern. Denn die arbeitsfähigen Männer arbeiteten anderswo. Leute, die auswandern, tun das aus einer Vielzahl von Gründen. Aber diejenigen, die besonders verletzlich sind, die wir hier am Golf sehen, brauchen unsere Aufmerksamkeit und besonderen Schutz, denn sie gehören auch zu Hause zur schwächsten Gesellschaftsgruppe. Sogar die Erfolgsgeschichten bedeuten 30 Jahre Abwesenheit von der Familie. Du hast viel erreicht, hast deinen Kindern ein Studium finanziert, deine Tochter ist Ärztin, dein Sohn Ingenieur, das ist fantastisch, das hättest du sonst nie geschafft. Aber sie sind ohne dich aufgewachsen, du hast dich von ihnen entfremdet. Auf einer menschlichen Ebene finde ich das traurig."
Gern hätte ich einen Verantwortlichen der Regierung gefragt, ob er die Dinge ähnlich sieht, oder vielleicht völlig anders? Leider werde ich auf meine Anfragen hin immer wieder vertröstet.
Die Weltmeisterschaft kommt und geht, und mit ihr das Interesse der Welt. Katars Regierung sollte ihr Interesse auf künftige Einwanderungsströme richten. Es geht nicht nur darum, die internationale Gemeinschaft zufriedenzustellen.
"Es eine Chance für Katar, zum Wegbereiter zu werden in Sachen Menschenrechte. In einem Teil der Welt, in dem sie sehr wenig gelten. Eine Chance, nicht nur Kritik von außen, auf die Katar reagieren muss."